Hofheimer Lagerbuch: Bedeutende Quelle zur Stadtgeschichte

Das sogenannte „Lacherbuch“ von 1764 zählt zu den wichtigsten schriftlichen Quellen über Besitz-, Abgaben- und Steuerverhältnisse im Hofheim des 18. Jahrhunderts. Nun liegt eine vollständige Transkription samt 64-seitiger Auswertung vor und steht Interessierten sowohl analog im Stadtarchiv als auch digital im Internet zur Verfügung. Die Transkription wurde von einer vierköpfigen Arbeitsgruppe des Historischen Arbeitskreises Hofheim in mehrjähriger ehrenamtlicher Arbeit erstellt.

Ein Lagerbuch ist gewissermaßen das frühneuzeitliche Grundsteuerkataster. Darin wurden sämtliche Grundstücke eines Ortes festgehalten – mit Angaben zu Größe, Bodenqualität, Nutzungsart und steuerlichen Belastungen der Besitzungen. Ergänzt wurden diese Daten um die Abgaben und Zinsverpflichtungen der Eigentümer, im Hofheimer Buch als ‚Beschwerden‘ bezeichnet, die oft in Naturalien wie Korn, Wein oder Wachs zu leisten waren“, erzählte Roswitha Schlecker, ehemalige Stadtarchivarin und Mitglied der Arbeitsgruppe bei der offiziellen Übergabe der Transkription in der Stadtbücherei.

Das komplette Werk – bestehend aus der Transkription und der begleitenden Auswertung – kann im Stadtarchiv Hofheim am Taunus analog eingesehen oder digital über den Onlinekatalog der Hochschul- und Landesbibliothek RheinMain abgerufen werden:

 https://hds.hebis.de/hsrm/Record/HEB533493013


„Die Transkription dieses Lagerbuchs bedeutet einen neuen Zugang zu unserer Stadtgeschichte. Sie zeigt, wie viel Wissen in den historischen Quellen des Stadtarchivs steckt – und wie wertvoll das Engagement der Menschen ist, die dieses Wissen wieder zugänglich machen. Die Arbeitsgruppe hat mit beeindruckender Ausdauer, Fachkenntnis und Leidenschaft gearbeitet“, sagte Bürgermeister Wilhelm Schultze.

„Neben Gerichtsbüchern ab 1425 und Stadtrechnungen ab 1692 gehört auch das sogenannte ‚Lacherbuch‘ oder Lagerbuch zu unserem Bestand. Die Handschrift des 18. Jahrhunderts ist für heutige Nutzerinnen und Nutzer jedoch kaum mehr lesbar. Daher eröffnet die nun vorliegende Umschrift in moderne Schrift neue Forschungsmöglichkeiten – von historischen Besitzverhältnissen über Flurnamen bis hin zu wirtschaftlichen Strukturen“, erklärte die Leiterin des Stadtarchivs Charlotte Pissors.

Damit die Inhalte dieser historischen Handschrift der Forschung und interessierten Öffentlichkeit wieder zugänglich werden, widmete sich eine vierköpfige Arbeitsgruppe des Historischen Arbeitskreises Hofheim seit 2020 der aufwendigen Transkription und Auswertung. Es war der Gruppe ein besonderes Anliegen, mit ihrer Arbeit das Verständnis für die lokale Geschichte zu vertiefen. Zur Gruppe gehörten neben der ehemalige Stadtarchivarin Roswitha Schlecker, Reiner Scholz, Dr. Dieter Reuschling und Wilfried Wohmann, allesamt erfahrene Lokalhistorikerinnen und -historiker. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe widmen das Werk ihrem langjährigen Mitstreiter Dr. Dieter Reuschling, der kurz vor der Fertigstellung im Januar 2024 verstorben ist. 

Die Arbeiten begannen mit der Digitalisierung des umfangreichen Bandes – rund 940 Seiten – um das Original zu schonen. Anschließend folgte die zeitraubende Übertragung des Textes in heutige Schriftform sowie eine inhaltliche Auswertung.

„Das Ziel der Bearbeitung des Hofheimer Lagerbuchs war, möglichst viele Informationen über das Leben in Hofheim um 1764 zu gewinnen – über Bewohner, Besitzverhältnisse und wirtschaftliche Strukturen. Auch wenn das überlieferte Buch nicht vollständig ist, liefert es wertvolle Hinweise und ermöglicht punktuelle Lokalisierungen einzelner Grundstücke und Häuser“, erläuterte Charlotte Pissors. „So ließ sich beispielsweise der Standort des früheren Gasthauses „Zum Wolf“ an der heutigen Hauptstraße 31 und 33 rekonstruieren.“


Weitere Informationen zum Lagerbuch

Lagerbücher – regional auch als Stockbücher oder Urbare bezeichnet – entstanden bereits im 14. und 15. Jahrhundert. Sie dienten ursprünglich der Erfassung von Immobilienbesitz für Kommunen, Klöster, Höfe oder Grafschaften. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts ordneten die Landesherren an, sämtlichen Grundbesitz systematisch zu verzeichnen, um eine präzisere steuerliche Erfassung zu ermöglichen.

Bis ins 19. Jahrhundert gab es noch kein Liegenschaftskataster, also keine Karten mit Flur- oder Grundstücksnummern. Grundstücke wurden daher über ihre Lage in einem Gewann, d.h. durch einen historischen Flurnamen, und über die Anlieger – also Nachbarn rechts und links – beschrieben. Erst mit der Einführung der Stockbücher im Herzogtum Nassau ab 1853 und der Gemarkungskarten ab 1869 entstanden die Vorläufer der heutigen Kataster- und Grundbücher.